Warum ist alkoholfreier Wein teurer als normaler Wein? – Er hat doch nicht mal Alkohol
„Das ist aber schon teuer und das obwohl nicht mal Alkohol drinnen ist.“
Diesen oder ähnliche Sätze hören wir immer wieder, wenn es um entalkoholisierte Getränke oder Hydrolate geht. Doch was steckt wirklich hinter dieser Annahme, dass der Preis eines Getränks vor allem durch den Alkohol bestimmt wird? Ist es nicht vielmehr das Handwerk und die komplexe Komposition der Aromen, die für den Wert eines Getränks sorgen?
In diesem Beitrag möchte ich zeigen, warum entalkoholisierte Getränke im Vergleich zu alkoholischen Getränken ihren Preis absolut wert sind – und warum Alkohol an sich nicht das teuerste an einem Getränk ist.
Alkohol: günstig, alltäglich, fast schon ein Abfallprodukt
Beginnen wir mit dem Alkohol. Viele Menschen scheinen zu glauben, dass der Alkohol den größten Teil des Preises eines Getränks ausmacht. Doch ein Blick in den Supermarkt reicht, um dieses Missverständnis aufzuklären. Alkohol gibt es dort für ein paar Cent zu kaufen – als Reinigungs- oder Desinfektionsmittel. Er wird in großen Mengen industriell produziert und kostet in seiner reinen Form nur einen Bruchteil dessen, was für ein gutes Getränk aufgerufen wird.

Alkohol ist chemisch gesehen nichts Besonderes. Jeder, der einmal Obst zu lange liegen lässt, weiß, wie leicht sich durch Fermentation Alkohol bildet. Tatsächlich ist Ethanol – der Trinkalkohol – ein natürliches Nebenprodukt der Gärung und entsteht oft quasi von selbst, wenn man Lebensmittel nicht sorgfältig lagert. Dieser Prozess ist uralt und weder besonders aufwändig noch teuer.
Die wahren Kosten: Geschmack, Qualität und aufwendige Produktionsschritte

Was ein Getränk wirklich wertvoll macht, ist die Kunst der Komposition. Es ist das ausgewogene Spiel von Aromen, die Harmonie der Zutaten, die auf den Punkt gebrachte Balance zwischen Säure, Süße, Bitterkeit und Frische. All das macht den Unterschied zwischen einem Massenprodukt und einem hochwertigen Getränk aus. Gerade bei entalkoholisierten Getränken ist es eine echte Herausforderung, diese Aromenvielfalt zu erhalten, denn der Alkohol ist nicht nur Geschmacksträger, sondern auch für das Mundgefühl entscheidend. Wird er entfernt, bleibt oft ein recht „flaches“ Aroma zurück.
Und genau hier liegt der Knackpunkt: Die Entalkoholisierung ist ein aufwendiger und kostenintensiver Prozess. Es handelt sich keineswegs um einen simplen Schritt. Je nach Verfahren – ob Vakuumdestillation, Umkehrosmose oder andere moderne Techniken – erfordert die Entfernung des Alkohols spezielle Anlagen und Know-how, das viele Produzenten nicht im eigenen Betrieb leisten können. Deshalb müssen sie diese Schritte oft teuer zukaufen. Auch die wissenschaftliche Forschung rund um die bestmögliche Erhaltung der Aromen kostet – und das schlägt sich zwangsläufig auf den Endpreis nieder.
Bei der Entalkoholisierung kann der Alkohol soweit entfernt werden, dass nur noch ein Restalkoholwert von weniger als 0,5 % Vol bestehen bleibt. Jedoch gehen mit dem Geschmacksträger Alkohol auch flüchtige Aromen verloren, die dann mühsam wiederhergestellt oder zurückgewonnen werden müssen. Diese Schritte sind technisch anspruchsvoll und erfordern teure Verfahren. Ein Hersteller, der auf Qualität setzt, spart hier nicht und investiert bewusst in diese Prozesse.
Die Ironie: Mehr Alkohol = weniger wert?
Eine interessante Beobachtung lässt sich machen, wenn man sich die Preisspannen bei alkoholischen Getränken anschaut. Es gibt günstigen Schnaps, der fast nichts kostet, und daneben hochwertige Weine oder Spirituosen, die deutlich mehr verlangen. Das ist keine Überraschung – der Preis hängt hier stark von der Qualität der Zutaten und der handwerklichen Verarbeitung ab.
Wenn man dann den Alkoholgehalt betrachtet, wird es fast ironisch: Je mehr Alkohol in einem Getränk ist, desto günstiger wird es oft – denken wir an hochprozentige Reinigungsmittel oder billigen Fusel. Ein einfacher Vodka aus dem Discounter kann für unter 5 Euro über den Ladentisch gehen, während ein entalkoholisierter, hochwertiger Wein oder ein raffiniert komponiertes Hydrolat deutlich mehr kostet.
Man könnte fast meinen, dass der Preis eines Getränks in umgekehrter Proportion zum Alkoholgehalt steht. Weniger Alkohol – mehr Wert? Tatsächlich! Denn die Kunst, die Komplexität und der Genuss stecken in der Aromenvielfalt, nicht in der simplen Anwesenheit von Ethanol.
Viel rein – wenig raus

Neben den komplexen Produktionsverfahren kommt auch der Mengenverlust von 15 bis 20 % bei der Entalkoholisierung ins Spiel (heißt ja auch „Volumenprozent“, nicht wahr?). Das bedeutet, dass bei der Entfernung des Alkohols ein erheblicher Teil des Produkts verloren geht. Um die gleiche Menge an Nullkohol anbieten zu können, muss der Hersteller also mehr Ausgangsmaterial einsetzen. Dieser zusätzliche Verlust gepaart mit mehr Aufwand führt zwangsläufig zu höheren Kosten pro verbleibendem Liter.
Qualität hat ihren Preis – und den sollte man sich wert sein
Bei entalkoholisierten Getränken zahlt man nicht für den Alkohol – man zahlt für die Qualität der Zutaten, die aufwendigen Produktionsschritte, den Verlust einer nicht unerheblichen Menge des Getränks und die Sorgfalt der Hersteller, die dafür sorgen, dass man trotz Entalkoholisierung ein vollmundiges Geschmackserlebnis genießen kann. Es ist vergleichbar mit einem guten Essen: Man könnte auch Fast Food zu einem Bruchteil des Preises bekommen, aber der Genuss eines fein zubereiteten Gerichts aus frischen, hochwertigen Zutaten ist unvergleichlich.
Entalkoholisierte Getränke sind keineswegs ein „Ersatz“ für alkoholische Getränke – sie sind eine eigene Kategorie, die mit handwerklichem Können und technischer Raffinesse hergestellt werden. Wer also einmal über den Preis eines solchen Getränks nachdenkt, sollte sich daran erinnern: Es ist nicht der Alkohol, der den Wert ausmacht. Es ist das Handwerk und die Qualität, die in jedem Tropfen stecken.
Und das ist es definitiv wert!
Quellen: MDPI, Winesecrets, IntechOpen